Wieviele Radwege führen durch
Europa?
Fachhandel,
Produktion und Zweiradbestände in den einzelnen Ländern
Fachhandel
und -handwerk der Zweiradbranche in Europa müssen einander
näherrücken, müssen sich besser kennenlernen; das ist eine
wichtige Voraussetzung für die Zusammenarbeit, wie sie auf dem
1. Internationalen Kongreß des Zweiradgewerbes Anfang Oktober in
Paris eingeleitet wurde. Der „Radmarkt“ berichtete bereits über
diese Tagung. „Die erste Aufgabe des Internationalen Verbandes
ist der Erfahrungsaustausch zwischen.den angeschlossenen
Organisationen auf technischem, beruflichem, organisatorischem,
gesetzgeberischem und verkehrstechnischem Gebiet vermittels
gegenseitiger Auskünfte und einer systematischen
Unterlagensammlung“ — so betonte Generalsekretär J. Catinat,
Frankreich, in einem Vorwort, das einer Untersuchung über Handel
und Wandel im Zweiradfach der einzelnen Länder vorangestellt war.
Einzelheiten aus dieser Unterlagensammlung sind den
nachfolgenden Betrachtungen zugrunde gelegt, die ein Bild über
die Bedeutung des Zweirades im europäischen Raum aufzuzeichnen.
Diese Darstellung kann und will nicht lückenlos sein, trotzdem
aber darf sie ein besonderes Interesse beanspruchen: sie gibt
eine Vorstellung vom Zweiradsektor im gemeinsamen europäischen
Raum.
Belgien — ein Radwegeland
Bereits
am 1. Januar 1953 gab es in Belgien ein Netz von 2140 km „einfachen“
und 236 km „doppelten“ Radwegen. Nach dem im März 1952
aufgestellten Bauprogramm ist die Zahl dieser Radwege-Kilo-meter
weiter vergrößert worden und noch nicht zu einem Abschluß
gekommen.
Nach
der offiziellen Statistik verzeichnet Belgien etwa 10 000
Fahrradhändler, eingeschlossen sind hier aber auch Handwerks-
und Garagenbetriebe, die Reparaturarbeiten ausführen.
Tatsächlich dürften etwa 7000 Fahrradgeschäfte bestehen, von
denen sich etwa 2500 auch mit dem Verkauf motorisierter
Zweiräder befassen.
Die jährliche Produktion beläuft
sich auf etwa 250 000 bis 300 000 Fahrräder, die zu zwei
Dritteln aus Fabriken stammen und zu etwa einem Drittel von
Konfektionären erstellt werden. Gestützt durch eine Zollerhöhung
auf 24% hat die Fertigung von Mopeds erheblich zugenommen: von
14 500 im Jahre 1955 auf 33 000 im Jahre 1956 und weiter auf 61
500 im letzten Jahre; die Produktion 1957 enthielt rund 39 000
Mopeds, die in Montagebetrieben hergestellt wurden.
Unverkennbar
stark ist der Rückgang in der Fertigung von Motorrädern während
der letzten beiden Jahre. Die Produktion erreichte mit 18 200 im
Jahre 1955 ihren Nachkriegshöchststand, von denen 11 800 aus
Montagebetrieben stammten; sie fiel 1956 ab auf 8200 (rund 5500
montiert) und .1957 auf 4000 (rund 3000 montiert). Einen nur
geringen Ausgleich bot die Zunahme von Motorrollern; sie stieg
von 12 250 (1955) auf 14 530 (1956) und rd. 16 200 (1957), von
ihnen wurden im letzten Jahre knapp 8000 importiert, außerdem
5000 Motorräder und nur 1,3% der in Belgien verkauften
Fahrräder.
Die Gesamtzahl der in Belgien
vorhandenen Fahrräder wird auf 2,9 bis 3 Millionen geschätzt.
Nimmt man an, daß ihre Zahl durch das Vordringen der Mopeds und
Roller etwas zurückgegangen ist, so ist doch ein Mindestbestand
von 2,5 Millionen heute anzunehmen, die sich im Verkehr befinden.
Das heißt: jeder dritte besitzt ein Fahrrad. Ferner gab es 1957
einen Bestand von 290 000 Mopeds, 358 000 Motorrädern und 78 000
Motorrollern.
Dänemark
— 1 Moped auf 5 Einwohner
Von jeher galt Dänemark als
Fahrradland, wo ein Fahrrad auf zwei Einwohner kam. Zweifellos
zugunsten des Mopeds hat sich das Verhältnis heute auf 1 : 3
verschoben. Man rechnet mit einem Bestand von etwa 125 000
motorisierten Zweirädern bis 50 ccm, somit käme also auf je fünf
Einwohner des Landes ein Moped bzw. Kleinkraftrad.
Die dänische Produktion belief
sich 1956 auf 156 000 Fahrräder, 75 000 Mopeds und 250
Motorräder.
Die Zahl der dänischen
Fahrradfachgeschäfte wird mit etwa 2000 angegeben. Der Umfang
des Radwegenetzes ist bedeutend, jedoch statistisch nicht genau
erfaßt.
Finnland: 1,3 Mill. Fahrräder!
Der finnische Fahradbestand wird
häufig unterschätzt: er bezifferte sich 1957 auf etwa 1,3
Millionen, so daß etwa 3 Fahrräder auf je 10 Einwohner kommen —
ähnlich übrigens wie in Deutschland. Motorisierte Zweiräder gibt
es etwa 40 000 Stück (nur 1 auf 100 Einwohner). In Finnland
produziert wurden 1957 etwa 75 000 Fahrräder und 4000
Motor-Zweiräder; Motorroller sind praktisch nicht dabei.
Etwa
1000 Fach- und 3 500 sonstige Geschäfte verkaufen Zweiräder in
Finnland, wo — erklärlicherweise in einem nicht sehr dicht
besiedelten Land — die Zahl der Radwege nicht groß ist;
insgesamt etwa 100 km, vorwiegend in und nahe größeren Städten,
und hier steht der Radwegebau weiterhin auf dem Programm.
Ansonsten kommt auf 350 km Landstraße lediglich 1 km Radweg.
Großbritannien:
Zweirad großgeschrieben
In Großbritannien registriert man
rund 12 Millionen Fahrräder, also etwa 24 auf 100 Einwohner, und
ferner 1,43 Mill. Krafträder, davon 511 000 über 250 ccm und nur
284 000 unter 60 ccm. Also — ein charakteristisches Kennzeichen
für das Land des Motorrades — viele schwere Maschinen und
verhältnismäßig wenig Leichtgewichte, was gleichermaßen auf eine
sportliche Einstellung und ungünstige Führerscheinbestimmungen
(für Kleinkrafträder bzw. Mopeds) schließen läßt.
Die Fahrradproduktion belief sich
1957 auf 2,548 Mill. Stück gegenüber 2,875 Mill. im Jahre zuvor;
dagegen stieg die Gesamtzahl motorisierter Zweiräder von 125 000
im Jahre 1956 auf 202 500 im letzten Jahre in der Produktion
stark an. Gebaut wurden 1957 u. a. 17 500 Mopeds, 60 000
Motorräder bis 150 ccm und 94 000 Motorräder über 150 ccm sowie
31 000 Motorroller.
Im
Vereinigten Königreich werden Fahrräder durch etwa 11 000
Händler und Krafträder von etwa 2500 Geschäften verkauft.
Offizielle Angaben über die Radwege Englands gibt es nicht, die
bestehenden Radwege sind ausschließlich Fahrrädern Vorbehalten.
Italien: kleinmotorisiert
Am 1. 1. 1958 belief sich der
italienische Zweiradbestand auf 930 000 Mopeds (1 auf 53
Einwohner), 1,61 Mill. Motorräder und Roller bis 125 ccm (1 auf
31 Einwohner) und 630 000 Krafträder über 125 ccm (1 auf 79
Einwohner). Uber die Größe des Fahrradbestandes liegen keine
genaueren Anhaltspunkte vor.
Die italienische Produktion
umfaßte 1957 insgesamt 170 000 Mopeds, 165 000 Motorräder und
Motorroller bis 125 ccm und 240 000 mit mehr als 125 ccm. Auf
dem italienischen Markt verkauft wurden im letzten Jahre 97 600
Mopeds (gegenüber 94 000 im Jahre 1956), 127 500 Krafträder bis
125 ccm (gegenüber 151 900 im Jahre 1956) und 123 650 Krafträder
über 125 ccm (gegenüber 117 500 im Jahre 1956).
Frankreich:
Land des Zweirades
Frankreich
weist einen imposanten Zweiradbestand auf: außer 12 Millionen
Fahrrädern (1 auf 2,8 Einwohner) 4,5 Millionen motorisierte
Zweiräder (1 auf 10 Einwohner) Anfang des Jahres. Die „Motorisierten“
setzen sich u. a. zusammen aus 3,2 Millionen Mopeds (71%), 614
000 Motorrädern bis 125 ccm (14%), und 376 000 Motorrollern
(8%); nur den Rest von 7% nehmen Motorräder über 125 ccm in
Anspruch, sie haben besonders unter hohen Versicherungsprämien
zu leiden.
Hergestellt
wurden im letzten Jahre (in Klammern 1956) rund 904 000 (900
000) Mopeds, 87 000 (105 000) Motorräder bis 125 ccm, 10 500 (17
000) Motorräder über 125 ccm und 102 000 (118 000) Motorroller.
Davon verkauft wurden 1957 auf dem französischen Markt u. a. (in
Klammern 1956) 73 000 (112 000) Motorräder bis 125 ccm, 9000 (27
000) Motorräder über 125 ccm und 90 000 (118 000) Motorroller.
Die Verkaufszahl von Mopeds ist in Frankreich nur schlecht zu
ermitteln.
In 22 000 Geschäften, von denen 14
000 als Fachgeschäfte anzusprechen sind, kann man in Frankreich
Zweiräder kaufen. Die meisten dieser Firmen führen ein oder zwei
Fabrikate. Bei den guten französischen Straßenverhältnissen trat
die Tatsache, daß nur etwa 500 km Radwege vorhanden sind und ein
verbindliches Bauprogramm bisher nicht vorliegt, nicht allzu
sehr in Erscheinung; der französische Zweiradgewerbe-Verband
bemüht sich angesichts des immer mehr zunehmenden motorisierten
Verkehrs intensiv um eine behördliche Förderung des Radwegebaues.
Irland: etwas abseits
Über
den irländischen Fahrradbestand waren genaue statistische
Angaben nicht zu erhalten. Der Bestand an motorisierten
Zweirädern wird auf 28 000 geschätzt (1 auf 100 Einwohner), und
40% aller Krafträder liegen im Hubraum zwischen 75 und 150 ccm.
Die irländische Eigenproduktion belief sich 1954 auf 60 000
Fahrräder. Sie können nur in Teilen eingeführt, werden,
zumindest die Montage im Lande ist obligatorisch.
Das kleine Land Luxemburg
weist
einen Bestand von etwa 80 000 Fahrrädern auf, also eins auf je
vier Einwohner. Dazu kommen 25 000 motorisierte Zweiräder (je 8
auf 100 Einwohner), von denen 14 000 bis 15 000 nicht mehr als
125 ccm haben. Mopeds mit einem Gewicht bis zu 28 kg sind hier
von jeder Erlaubnispflicht befreit, für die anderen ist ein
Spezialausweis nötig. Die luxemburgische Zweiradfertigung
beschränkt sich auf eine geringe Zahl von Fahrrädern.
Die Zahl der Zweirad-Einzelhändler
und -Fachgeschäfte wird auf 130 beziffert. An Radwegen gibt es
nur 5 km in zwei Städten.
Niederlande:
Europas Fahrradland
Mit
einem Fahrradbestand von 5,5 Millionen (eins auf je zwei
Einwohner) sind die Niederlande nach wie vor eines der
bedeutendsten europäischen Fahrradländer. Nicht gering ist aber
auch die Zahl der motorisierten Zweiräder: insgesamt 935 000
Mopeds und Krafträder (12 auf 100 Einwohner), darunter 760 000
oder 80% Mopeds und Maschinen bis 125 ccm. Die eigene Produktion
beläuft sich auf etwa 485 000 Fahrräder, 183 000 Mopeds und
Krafträder bis 125 ccm sowie 600 Motorroller.
Mit
dem Verkauf von Zweirädern befassen sich etwa 10 000 Geschäfte
und Werkstätten.
Das Radwegenetz ist das größte
irgendeines europäischen Landes. Allein die 2899 km der großen
Durchgangsstraßen sind von 2750 km Radwegen begleitet. Dazu
kommen 1600 km Radwege an den 4352 km Provinzialstraßen und —
zahlenmäßig kaum zu erfassen — die Radwege an den übrigen 30 000
km Straßen.
Spärliche
Angaben über Norwegen
Über
den norwegischen Fahrradbestand sagt die französische
Untersuchung mangels zuverlässiger Unterlagen nichts aus. Man
rechnet mit einem Bestand von 37 000 Mopeds und Krafträdern bis
125 ccm, zu denen noch etwa 48 500 größere Motorräder und 20 000
Motorroller kommen. Jährlich werden etwa 93 000 Fahrräder gebaut.
Für die Fertigung einer bestimmten Zahl von Mopeds und
Kleinkrafträdern werden eingeführte Motoren verwendet. Nicht zu
ermitteln war die Höhe der Kraftradproduktion, ebenso fehlen
Angaben über die Zahl der Fachgeschäfte und den Umfang der
Radwege, die sich vorwiegend auf den Raum von Oslo beschränken.
Österreich
mehr „Motorisierte“ als Fahrräder
Österreich
ist eines der wenigen Länder, in denen die Zahl motorisierter
Zweiräder (562 000 Anfang 1958, also 8 auf 100 Einwohner) größer
ist als der Bestand an Fahrrädern (300 000, wenig über 4 auf 100
Einwohner). In der Gesamtzahl der Krafträder sind 235 000 (nahezu
42%) Maschinen bis 125 ccm und über 71 000 Motorroller enthalten.
Im letzten Jahre belief sich die österreichische Produktion auf
133 000 Fahrräder und über 172 000 Motor-Zweiräder, darunter
rund 144 000 Mopeds und Krafträder bis 125 ccm, über 18 000
Motorräder größeren Hubraums und fast 10 000 Motorroller.
Der Zweiradverkauf vollzieht sich
über etwa 800 Betriebe und 3200 Unternehmen, die sich vorwiegend
mit Reparaturen befassen.
Bisher
gibt es nur rund 100 km Radwege, etya 1 km Radweg auf 333 km
Haupt- und Provinzstraßen.
Wenig
Zweiräder in Portugal
Mit
etwa 400 000 Zweirädern ist der portugiesische Bestand nicht
sehr bedeutend: 4 Fahrzeuge auf 100 Einwohner. Bei rund 22 000
Maschinen ist auch der Motorradbestand gering, ebenso dürften
Mopeds und Kleinkrafträder nicht sehr stark vertreten sein. Die
eigene Zweiradproduktion beläuft sich auf etwa 7600 Fahrräder
und Mopeds pro Jahr. In Lissabon und Porto gibt es etwa 100
Einzelhandelsgeschäfte für Zweiräder, ihre Zahl in den anderen
Städten ist nicht bekannt. Radwege dürften kaum existieren.
Schweden: viele Mopeds
In Schweden, wo über den
Fahrradbestand genaue Angaben nicht zu ermitteln waren, stieg
die Zahl der Mopeds von 400 000 im Jahre 1956 auf 500 000 im
letzten Jahre an, allerdings wohl auf Kosten der übrigen
Krafträder, deren Bestand von 300 000 Motorrädern und Rollern
sich um 30 000 Fahrzeuge in diesem Zeitraum verringerte. Die
schwedische Produktion belief sich 1956 auf 128 000 Fahrräder,
95 000 Mopeds und rund 5000 Krafträder.
Genaue
Auskünfte über die Zahl der Radwege waren nicht zu erhalten; wie
es heißt, soll ein Bauprogramm bestehen, mit dem es jedoch nur
sehr langsam weitergeht.
M1s2
Die bergige
Schweiz
ist
für das Fahrrad an sich kein ideales Gelände. So „teilen“ sich
im Durschnitt 4 Einwohner in gut ein Fahrrad, und etwa 1,5
Millionen Fahrräder sind auf den Straßen anzutreffen. Dazu
gesellen sich 253 000 motorisierte Zweiräder (5 auf 100
Einwohner), darunter 91 000 Mopeds. Im Gesamtbestand der
Motorzweiräder machen 86 000 Motorroller etwa 34% aus — gewiß
eine beträchtliche Zahl.
Die schweizerische Produktion
beläuft sich jährlich auf etwa 40 000 bis 50 000 Fahrräder und
knapp 4000 motorisierte Zweiräder, in der Hauptsache Mopeds.
Im Zweiradhandel sind etwa 3000
Betriebe tätig. Mit Radwegen ist die Schweiz nicht überreich
gesegnet; es existiert eine bestimmte Zahl, aber Auftrieb in
Planung und Neubau tut auch hier not.
Diese
Übersicht des französischen Zweiradgewerbe-Verbandes will sicher
nur als Anfang und Ausgangspunkt für eine internationale
Zusammenarbeit gewertet werden. Trotz vieler lückenhaften und
unzureichenden Angaben dürfte sie aber den einen Eindruck
nachhaltig verstärken: fast überall erreicht der Bestand an
Fahrrädern und auch an motorisierten Zweirädern so
eindrucksvolle Höhen, daß man durchaus nur die Forderung nach
verstärktem Radwegebau, nach einem Radwegenetz durch die meisten
europäischen Länder ableiten muß. Ein wichtiges Anliegen für die
Fahrradwirtschaft Europas!
M1c
AUS
LETTLAND
stammt dieses Moped, eine neue
sowjetische Konstruktion mit 1,6-PS-Motor, das in dem Rigaer
Fahrradwerk „Sarkana Swaigsne“ gebaut wird. Seinen Namen „Spiriditis“
erhielt es nach dem Namen des Helden eines lettischen
Volksmärchens.
|